Blog: Der Brand von Uster
Stadt-Landkonflikt ist nichts Neues
Das Verhältnis zwischen der ländlichen Bevölkerung und der Stadt ist schon seit über 200 Jahren belastet.
Vor der französischen Revolution 1798 war das Zürcher Oberland Untertanengebiet der Stadt Zürich. Verwaltet wurde es von den städtischen Landvögten in Greifensee und Kyburg.
1798 gelangten erstmals die modernen Ideen der französischen Revolution in die Schweiz. Man proklamierte die Freiheit und Gleichheit, was die rechtliche Gleichstellung von Stadt und Landschaft garantieren sollte. Doch es war nur ein kurzes Zwischenspiel, denn nach dem Abzug der Franzosen 1814 gelang es den konservativen Kräften eine Verfassung zu installieren, welche die Vorrechte der Stadt gegenüber dem Land wieder betonte.
Der Ustertag 1830
Doch die beginnende Industrialisierung und die zunehmende Bildung der Landbevölkerung hatten zur Folge, dass die Vorrechte der Stadt als wirtschaftliches Hemmnis und als politisch ungerecht empfunden wurden. Am 22. November 1830 strömten rund 10 000 Menschen auf den Ustermer Zimikerhügel, um auf friedliche Weise gegen die Bevormundung der Landschaft durch die Stadt zu demonstrieren.
Innerhalb nur eines Monats wurde eine liberale Verfassung ausgearbeitet, die ausdrücklich die Souveränität des Volkes festschrieb. Das Wahlrecht wurde auf wurde für alle (Männer) eingeführt und das Prinzip der Gewaltenteilung aufgenommen. Im Jahr 1831 trat die neue Verfassung in Kraft.

Konflikte in den 30er-Jahren
Doch es zeigte sich, dass nicht alle dasselbe von der neuen Ordnung erwarteten. Für die Elite standen Freiheitsrechte, «Proporz» und Verfassung im Zentrum, für die Mittel- und Unterschicht waren es materielle Forderungen. Verlangt wurden eine Zinssenkung, eine Vermögenssteuer für die Reichen, der Schutz der Heimarbeit und schliesslich ein Verbot der eben neu eingeführten mechanischen Webmaschinen. Kurz: Den einen ging es um Politik, den andern um Existenz.
1832 installierten die Spinnereifabrikanten Corrodi und Pfister in ihrer Fabrik in Oberuster Webstühle. Das führte zu einer explosiven Lage, die sich beim Maschinensturm von Uster entlud.
Aus dem Bericht des Oberrichters Friedrich Ludwig Keller über den Brand von Uster vom 22 November 1832:
Von 7 Uhr morgens an kamen fortwährend Haufen von 10, 20 und mehr Männern die Strasse von Wetzikon durch den Usterwald herunter . Erst ungefähr um 81/2 Uhr kam neuerdings eine Schar von derselben Seite her, stellte sich auf der von der Strasse zur Fabrik führenden Brücke auf unter der Äusserung, die Maschine mache ihr Unglück, sie müsse nun einmal zerstört sein … Man könne, hiess es, die Webmaschinen nicht aufkommen lassen …, wenn die Regierung nicht helfen wolle, so müsse man sich selbst helfen… In demselben Augenblick erschien eine neue kleine Schar, sechs bis acht Männer, pfeifend und jauchzend, mit Bündeln von Reisig und Stroh an den Stöcken auf der Schulter, hinter ihnen eine Schar von 20 bis 30, zum Teil betrunken… «Platz gemacht!, mit dem muss sie verbrannt sein!»
Plötzlich warf einer aus dem Haufen einen Stein in ein Fenster des Hauptgebäudes … Das Signal war gegeben. Ein anderer warf einen grossen Sparren über die Leute hin in ein Doppelfenster. Mehrere schlugen mit Stöcken und Knitteln die untern Fenster ein… Noch war das Einwerfen der Fenster nicht zu Ende, als schon von mehreren die ersten Bündel Stroh und Reisig durch die zerschlagenen Fenster des untersten Stockwerkes hineingeschoben wurden... Es gab keine Rettung mehr. Im gleichen Augenblick brach die erste Flamme aus beiden Eckfenstern des untersten Stockwerkes gegen die Schmiede und die Strasse. Viele waren durch die eingeschlagenen Türen und Fenster in die Fabrik gedrungen und beschäftigt, die Maschinen teils zu zerstören, teils in den Bach zu werfen. Einige brachen die Schmiedewerkstatt auf, nahmen daraus glühende Eisenstangen und trugen das Feuer in der Fabrik herum. Bald brach die Flamme an vielen Punkten zugleich aus…
Die Reaktion der Behörden auf den Maschinensturm war hart. Am Tatort und im Zürcher Oberland wurden 75 Personen verhaftet und 1833 die Hauptschuldigen zu langjähriger Kettenstrafe verurteilt. Dennoch führte das Ereignis zu einer verstärkten Diskussion über die Arbeitsbedingungen und die Rechte der Arbeiter. Der Maschinensturm von 1832 in Uster ist somit ein wichtiger Teil der Geschichte der Arbeiterbewegung in der Schweiz und verdeutlicht die Herausforderungen, die mit dem Übergang von einer agrarischen zu einer industriellen Gesellschaft verbunden waren.
In seinem Vorwort zum Theaterstück schreibt Stutz 1836:
Kein Vorgang in unsern bewegten Zeiten ergriff so tief mein Innerstes, wie eben der traurig berühmte Brand von Uster. Als mir die Namen der Gefangenen, ihre Heimatsorte, ihre Äusserungen und Handlungen näher bekannt wurden, da traten mit nie geschauter Lebendigkeit die Bilder meines Jugendlebens vor meine Seele. Manchen, der nunmehr mit Ketten klirrend an mir vorüber wankt, sah ich als harmlosen Knaben spielen, hörte ich als lebensfrischen Jüngling jauchzen, und es durchzuckte schmerzhaft mein Herz, wenn diese sonst so gutmüthigen Menschen als böswillige Verbrecher beurtheilt wurden. Lange hing ich in Gedanken dem unheilvollen Ereignisse nach, und immer klarer erkannte ich die Beweggründe, welche zu der strafbaren Handlung hintrieben. Zum innigsten Mitleid gesellte sich der Wunsch, meinen unglücklichen Heimatsgenossen, wenn nicht Hülfe, doch einigen Trost zu gewähren, und zwar dadurch, dass ich versuchte, einem grössern Theile des Publikums die Überzeugung beizubringen, es seien die Verurtheilten keine gemüthsverdorbene Bösewichte, sondern Menschen, die unter irrigen politischen Ansichten, unter Misskennung der industriellen Verhältnisse und unter banger Furcht vor der Zukunft – eine That begingen, die ihnen als gerecht und nothwendig vorkam, die aber schon dem geläuterten Verstande, noch mehr dem strengen Gesetze als grobes Verbrechen erscheinen musste. Indem ich nun den Quellen des Uebels nachgespürt, reiheten sich mehre Generationen jenes Bergvölkleins vor meinem Blicke; treulich gab mir die Erinnerung Bericht über die Lebensweise und die Denkart derselben in verschiedenen Epochen. Die schaffende Phantasie hatte hier Nichts zu bewirken. Ich beschäftigte mich nur mit lebendiger Auffrischung früher aufgenommener Bilder. So erhielt ich ein Gemälde von Wahrheit, und die vorliegenden Schilderungen dürfen keineswegs als Gebilde der Poesie gelten. Wo die Gegenstände einen poetischen Anstrich haben, da kommt derselbe aus der Lebensansicht und Handlungsweise jenes Völkchens selbst her.
Der Züriputsch 1939
Nach den politischen Änderungen wollte die neue Zürcher Regierung auch die Kirche und das Schulwesen reformieren. Die Landbevölkerung, welche sich von der liberalen Regierung im Stich gelassen fühlte, nahm dies zum Anlass, eine Petition nach Zürich zu bringen. In Pfäffikon ZH formierte sich am 5. September 1839 ein Protestzug, dem sich bald auch Bewohner anderer Gemeinden anschlossen. Die Menge war auf rund 2000 Mann angewachsen, auf dem Münsterplatz stiess er auf das Militär. Die Regierung hatte sich im Posthof verschanzt. Plötzlich fielen Schüsse, die Lage eskalierte. 14 Putschisten blieben tot liegen. Die Regierung wurde aufgelöst. Stadtpräsident Karl Eduard Ziegler (1800–1882) nahm in der Folge das Heft in die Hand. Er schaffte es, die Demonstranten zu beruhigen und einen provisorischen Staatsrat auf die Beine zu stellen.
Die neue Regierung begnadigte als einer der ersten Massnahmen die Verurteilten aus dem Maschinensturm von Uster.
Graphische Sammlung der Zentralbibliothek Zürich.
Das Theaterstück "Der Brand von Uster" von Jakob Stutz erschien 1836


1988 dient das Theaterstück als Grundlage für das fünfteilige Hörspiel «Der Brand von Uster» unter der Regie von Hans Jedlitschka.
Zu hören auf der Homepage von SRF:
https://www.srf.ch/radio-srf-musikwelle/hoerspiel-klassiker/hoerspiel-klassiker-hoerspiel-klassiker-im-maerz-der-brand-von-uster
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